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Rainer Maria Rilke, seine Gedichte über Venedig (1875-1926)

Rainer Maria Rilke
Rainer Maria Rilke
Der Dichter Rainer Maria Rilke hat nicht viele Gedichte über Venedig geschrieben, obwohl Venedig sicherlich einen wichtigen Platz in seinem persönlichen Leben und in seinen Gefühlen eingenommen hat.

Als Beweis für seine Verbundenheit mit Venedig hielt er sich dort mehrfach auf, unter anderem 1897, aber auch 1910, 1911, 1912, 1914 und 1920.

Er knüpfte dort einige persönliche Freundschaften, darunter mit la Duse, der berühmten Schauspielerin, die auch für ihre leidenschaftliche Liebesbeziehung mit Gabriele d'Annunzio bekannt war.

Hier sind einige seiner Gedichte über Venedig.

Spätherbst in Venedig

„Nun treibt die Stadt schon nicht mehr wie ein Köder,
der alle aufgetauchten Tage fängt.
Die gläsernen Paläste klingen spröder
an deinen Blick. Und aus den Gärten hängt

der Sommer wie ein Haufen Marionetten
kopfüber, müde, umgebracht.
Aber vom Grund aus alten Waldskeletten
steigt Willen auf: als sollte über Nacht

der General des Meeres die Galeeren
verdoppeln in dem wachen Arsenal,
um schon die nächste Morgenluft zu teeren

mit einer Flotte, welche ruderschlagend
sich drängt und jäh, mit allen Flaggen tagend,
den großen Wind hat, strahlend und fatal.”
Rainer Maria Rilke

Venezianischer Morgen

„ Fürstlich verwöhnte Fenster sehen immer,
was manchesmal uns zu bemühn geruht:
die Stadt, die immer wieder, wo ein Schimmer
von Himmel trifft auf ein Gefühl von Flut,

sich bildet ohne irgendwann zu sein.
Ein jeder Morgen muss ihr die Opale
erst zeigen, die sie gestern trug, und Reihn
von Spiegelbildern ziehn aus dem Kanale
und sie erinnern an die andern Male:
dann giebt sie sich erst zu und fällt sich ein

wie eine Nymphe, die den Zeus empfing.
Das Ohrgehäng erklingt an ihrem Ohre;
sie aber hebt San Giorgio Maggiore
und lächelt lässig in das schöne Ding.”
Rainer Maria Rilke

San Marco

„In diesem Innern, das wie ausgehöhlt
sich wölbt und wendet in den goldnen Smalten,
rundkantig, glatt, mit Köstlichkeit geölt,
ward dieses Staates Dunkelheit gehalten

und heimlich aufgehäuft, als Gleichgewicht
des Lichtes, das in allen seinen Dingen
sich so vermehrte, dass sie fast vergingen.
Und plötzlich zweifelst du: vergehn sie nicht?

und drängst zurück die harte Galerie,
die, wie ein Gang im Bergwerk, nah am Glanz
der Wölbung hängt; und du erkennst die heile

Helle des Ausblicks aber irgendwie
wehmütig messend ihre müde Weile
am nahen Überstehn des Viergespanns.”
Rainer Maria Rilke

Gondolen

„Kein Geräusch.
Nur die Gondolieri unterhalten sich.
Die Ruder rascheln kaum und
Kirchen, Kanäle
eine unbekannte Nacht winkt uns zu.

Kein Geräusch mehr auf dem dunklen Weg,
Die Luft verträgt ein fernes Ave
Wahr: Ich bin ein Kaiser
tot, den man zum Grab führt...”
Rainer Maria Rilke

Ein Doge

„Fremde Gesandte sahen, wie sie geizten
mit ihm und allem was er tat;
während sie ihn zu seiner Größe reizten,
umstellten sie das goldene Dogat

mit Spähern und Beschränkern immer mehr,
bange, dass nicht die Macht sie überfällt,
die sie in ihm (so wie man Löwen hält)
vorsichtig nährten. Aber er,

im Schutze seiner halbverhängten Sinne,
ward dessen nicht gewahr und hielt nicht inne,
größer zu werden. Was die Signorie

in seinem Innern zu bezwingen glaubte,
bezwang er selbst. In seinem greisen Haupte
war es besiegt. Sein Antlitz zeigte wie.”
Rainer Maria Rilke

Die Kurtisane

« Venedigs Sonne wird in meinem Haar
ein Gold bereiten: aller Alchemie
erlauchten Ausgang. Meine Brauen, die
den Brücken gleichen, siehst du sie

hinführen ob der lautlosen Gefahr
der Augen, die ein heimlicher Verkehr
an die Kanäle schließt, so dass das Meer
in ihnen steigt und fällt und wechselt. Wer

mich einmal sah, beneidet meinen Hund,
weil sich auf ihm oft in zerstreuter Pause
die Hand, die nie an keiner Glut verkohlt,

die unverwundbare, geschmückt, erholt -.
Und Knaben, Hoffnungen aus altem Hause,
gehn wie an Gift an meinem Mund zugrund.”
Rainer Maria Rilke

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